Von Günter Mallmann aus dem Heimatjahrbuch des Rhein-Hunsrück-Kalender 1997
„Mit Rücksicht auf das dringende Erfordernis” beschließt die Bürgermeisterei-Vertretung Pfalzfeld die Erbauung eines Polizeigewahrsams in Pfalzfeld auf Bürgermeistereikosten. So der Beschlußtext Nr. 1 in der Sitzung am 26. Januar 1904.
Im Juni des gleichen Jahres erhebt Pfarrer Matthes Beschwerde gegen dieses Vorhaben. Und auch Lehrer Hermann Urban schreibt in der Schulchronik Pfalzfeld: „Allgemein genommen, scheint dieses Gebäude für hiesige Gegend vollständig überflüssig zu sein.” Ungeachtet der oppositionellen Bemühungen läßt Bürgermeister Peter Liesenfeld das Vorhaben jedoch projektieren.
Als Standort ist eine Teilfläche der alten Straße von Pfalzfeld nach Norath am Schul-und Pfarrgarten neben dem Kirchhof (heutige Zufahrt zum Anwesen Kneip) vorgesehen. Hierfür werden von der Gemeinde Pfalzfeld 1,71 Ar der Straßenfläche als Bauplatz erworben. Der Kaufpreis beträgt 10 Mark pro Rute.
Die Entwurfspläne des Gefangenenhauses fertigt der Maurermeister Monnerjahn (aus Leiningen?) im März 1904. Projektiert sind drei Zellen, ein Vorraum (Flur) und ein Plumpsklosett. Zwei der Zellen können mit Öfen beheizt werden; eine ist nicht heizbar. Nach diesen Plänen baut der Maurermeister Peter Krautkraemer aus Pfalzfeld in der Zeit von Ende 1904 bis Anfang 1905 das von der Bürgermeisterei-Vertretung für „dringend gehaltende Erfordernis”. Im Volksmund „Bulles” genannt.
Zum ersten Male wird bei Gelegenheit der Kirmes 1905 ein Rowdy aus Pfalzfeld eingesperrt, so der Chronist Lehrer Urban.
Am 22. September 1906 kontrahiert Bürgermeister Peter Liesenfeld einen Speiseliefervertrag, der u. a. folgendes beinhaltet:
„Der Ackerer Peter Bröder aus Pfalzfeld übernimmt die Lieferung der gesamten Verpflegung für die Gefangenen des Gefängnisses zu Pfalzfeld gegen eine Vergütung von Morgenkost -,20 Mark, Mittagskost -,50 Mark und Abendkost -,30 Mark, zusammen 100 Pfennig für den Kopf und Verpflegungstag.
Alle Speisen müssen von tadelfreier Beschaffenheit, reichlich, schmackhaft und gut zubereitet sein sowie möglichst im warmen Zustande geliefert werden. Das Brot muß gut ausgebacken und frei von Wasserstreifen, das Schwarzbrot mindestens drei Tage alt sein.”
Nach über 50 Jahren wird der „Bulles” 1958/59 abgerissen, denn er hat sich zwischenzeitlich in eine Herberge für Tippelbrüder entwickelt. Durch den Abriß entledigt sich das Bürgermeisteramt Pfalzfeld der nicht unproblematischen Unterbringung der Obdachlosen. Die angrenzenden Grundstücke werden durch die „Gäste des Bulles” erheblich beeinträchtigt. Es sind weder eine Heizanlage noch ordentliche Toiletten und Waschgelegenheiten vorhanden, so daß das Umfeld entsprechend aussieht. Unter dem massiven Druck der Nachbarschaft und aufgrund der hygienischen Verhältnisse erfolgt schließlich der Abriß des sehr ramponierten Gebäudes Ende der Fünfziger Jahre.
Quellen:
1. Protokollbuch der Bürgermeisterei Pfalzfeld
2. 1100 Jahre Pfalzfeld 893-1993,Artikel: „Das
Bürgermeisteramt Pfalzfeld von I80O bis 1970″, 1993, von
Günter Mallmann.
3. Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 665 162, Nr. 161.